Trotz politischer Erosion bekräftigt der Bundesrat völkerrechtliche Prinzipien – ein Signal für Frieden und Beständigkeit.
Letzte Woche trafen wir in einem traditionellen Prager Kaffeehaus eine alte Freundin aus Tschechien. Wir sprachen über Gott und die Welt, vergangene Erfahrungen, unser Leben und die politischen Entwicklungen.
Dann kamen wir – wie könnte es anders sein – auf die Schweiz zu sprechen. Die Freundin ist weit gereist, bereits zu Zeiten des Kommunismus, aber auch bis heute; schon aufgrund ihres Berufes. Sie kennt unser Land von verschiedenen Besuchen. Die Schweiz und Neutralität – das seien fast Synonyme, meinte sie. Ich erklärte ihr, dass die Schweizer Landesregierung, der Bundesrat, seit einigen Jahren versucht, diese jahrhundertealte politische Maxime zu relativieren und zu verwässern. Er würde sich zwar immer noch an das Neutralitätsrecht halten, aber würde Schritte unternehmen, die die Außenwahrnehmung der Schweiz als neutrales Land beschädigen würden:
Das Mitmachen bei Sky Shield, die verunglückte Bestellung von amerikanischen Kampfjets F35 und vor allem die fast integrale Übernahme nicht nur der UNO-Sanktionen gegen Russland ließen unser Land als Partei erscheinen.
Unsere Freundin warnte uns eindringlich davon, vom Pfad der Neutralität noch mehr abzuweichen. Das sei ein Alleinstellungsmerkmal für unser Land und würde geschätzt und respektiert.
Ich dachte nach und bestellte einen zweiten Kaffee. Dann fiel mir auf: Schweizer Politiker, die unsere Neutralität abschaffen, für obsolet erklären oder relativieren wollen, argumentieren meist damit, dass dieses Konzept im Ausland nicht mehr vermittelbar sei.
Seltsam: Mir gelingt es problemlos, meinen Gesprächspartnern im Ausland die Neutralität zu erklären und zu vermitteln, dass diese in den europäischen und weltpolitischen Interessen sei. Liegt es vielleicht bei unseren Politikern am Willen? Nur so ein Gedanke…
Offenbar ist es so, dass in der Bundesverwaltung immer noch ein Richtungskampf im Gang ist zwischen den Befürwortern der Neutralität und deren Gegnern. Immerhin gelang den Befürwortern jüngst wieder ein Positionsbezug. Die Schweiz hält auch in der aktuellen Kriegssituation in der Ukraine an ihren humanitären und völkerrechtlichen Prinzipien fest. Der Bundesrat hat beim Uno-Generalsekretär Einspruch dagegen eingelegt, dass die Ukraine das Ottawa-Abkommen über das Verbot von Antipersonenminen vorübergehend aussetzt. Damit bekräftigt die Schweiz ihre Rolle als Hüterin des humanitären Völkerrechts und als Verfechterin langfristiger Sicherheit. Trotz Verständnis für die schwierige Lage der Ukraine betont sie die verheerenden Folgen von Landminen für die Zivilbevölkerung und das Risiko einer Erosion internationaler Abkommen. Diese Haltung ist ein wichtiger Beitrag zum Erhalt globaler Normen und zum Schutz künftiger Generationen. Ein neutrales Land ist immer auf der sicheren Seite, wenn es völkerrechtliche Normen und die UNO-Charta für Menschenrechte anwendet und verteidigt. Man hätte sich das gleiche in Bezug auf den Gaza-Krieg in etwas deutlicherer Form gewünscht.
Der jüngste Positionsbezug der Schweiz ist deshalb ein Hoffnungsschimmer für die Befürworter der Schweizer Neutralität und Friedenspolitik.
Die Schweiz wird bald über die Neutralitätsinitiative abstimmen. Die Stimmbevölkerung kann damit die Außenpolitik wieder verstetigen und in bewährtes Fahrwasser zurückführen. Sind Sie dabei?