Catherine Connolly tritt ihr Amt an – als unabhängige Präsidentin, die Irlands Neutralität bekräftigt und einer polarisierten Gesellschaft neue Zuversicht geben will.
Als Catherine Connolly zu Wochenbeginn im Dubliner Schloss ihren Amtseid leistete, endete eine Wahl, die Irland aufgewühlt, aber auch inspiriert hat. Die 68-jährige Juristin und Psychologin, lange Zeit Außenseiterin im politischen Betrieb, verkörpert eine Haltung, die vielen Menschen inmitten sozialer Spannungen und geopolitischer Debatten Zuversicht gibt: Ruhe, Unabhängigkeit – und ein konsequentes Bekenntnis zur irischen Neutralität.
Ihr Weg in die Präsidentschaft war ungewöhnlich. Ein virales Video, das sie beim fröhlichen Fußballjonglieren mit Kindern in einem Nord Dubliner Wohnblock zeigte, machte sie inmitten des Wahlkampfs zur Identifikationsfigur. Doch ihre Popularität entwickelte sich nicht aus Social-Media-Momenten, sondern aus dem Wunsch vieler Wählerinnen und Wähler nach einer Stimme, die zuhört und vermittelt. Genau das versprach Connolly in ihrer Antrittsrede – auf Irisch und auf Englisch – in einer sanften, aber bestimmten Tonlage.
Dass Connolly als unabhängige Kandidatin einen Erdrutschsieg errang, sagt viel über die politische Stimmung im Land. Die Regierungsparteien taten sich schwer, glaubwürdige Kandidaturen zu präsentieren, während Connolly für viele als unverbrauchte Alternative zu einem angeschlagenen Establishment galt. Sie gewann deutlich, obwohl die Wahlbeteiligung niedrig war und die Unzufriedenheit mit der Politik sichtbar zutage trat.
Connollys Aufstieg erklärt sich jedoch nicht nur aus den Schwächen ihrer Mitbewerber. Ihre Biografie – geprägt von Verlust, sozialem Aufstieg und jahrzehntelangem Engagement – verleiht ihr moralische Autorität. Sie wuchs als eines von 14 Kindern in einfachen Verhältnissen in Galway auf, wurde Anwältin, Psychologin, Bürgermeisterin, Parlamentsabgeordnete. Ihre politische Handschrift: soziale Gerechtigkeit, Transparenz, Friedenspolitik, Neutralität.
Irland ringt mit einer dramatischen Wohnungskrise: extremen Mieten, Abwanderung junger Menschen, wachsender sozialer Unruhe. Zuwanderung, Obdachlosigkeit und punktuelle Gewalt sorgten zuletzt für hitzige Debatten – manchmal auch für gefährliche Vereinfachungen. Connolly wird die strukturellen Probleme, deren Lösung in der Regierung liegt, nicht allein beseitigen können. Doch sie setzt ein Zeichen, das im Land zunehmend gesucht wird: Deeskalation statt Polarisierung, Dialog statt Schlagwortpolitik.
Ihre Gegner werfen ihr «Linksradikalismus» vor, insbesondere aufgrund ihrer deutlichen Kritik am Kurs westlicher Staaten im Umgang mit Gaza, an der NATO und an steigenden Rüstungsausgaben. Doch gerade ihre konsequente Friedensrhetorik – in Irland historisch tief verankert – verschaffte ihr breite Unterstützung. Für viele junge Menschen wurde sie zur Vertreterin einer moralischen Außenpolitik, die Irlands Position als neutraler Staat nicht verwässert, sondern erneuert.
Die Debatte über Irlands sicherheitspolitische Zukunft ist in den vergangenen Monaten schärfer geworden. Internationale Thinktanks, US-Politiker und ehemalige Militärs kritisieren Dublin zunehmend wegen geringer Militärbudgets oder der konsequenten Distanz zu NATO-Strukturen. Gleichzeitig wächst der Druck auf die Regierung, das sogenannte «Triple Lock» – die verfassungsrechtlich verankerte Bremse für militärische Einsätze – zu lockern (mehr hier und hier).
Connollys Präsidentschaft fällt in einen Moment, in dem diese Diskussionen brisant werden. Ihre klare Haltung zugunsten der Neutralität trifft einen Nerv in der Bevölkerung, die das Leitmotiv «Nicht in unserem Namen» in internationalen Konflikten hochhält. Das Präsidentenamt ist zwar weitgehend repräsentativ, doch gerade deshalb hat Connolly die Freiheit, ihre Stimme zu erheben – als moralische Instanz, nicht als Exekutive.
Dass sie die Vereinigung mit Nordirland langfristig befürwortet, fügt eine weitere Dimension hinzu: eine Vision, die auf dem Geist des Karfreitagsabkommens aufbaut und auf friedlichem Wandel setzt.
Catherine Connolly repräsentiert ein Irland, das auf der Suche nach Stabilität nicht nach mehr Härte, sondern nach mehr Besonnenheit ruft. Ihre Wahl zeigt, dass Neutralität für viele Bürgerinnen und Bürger kein Anachronismus ist, sondern ein Schutzraum – ein politisches Erbe, das in einer Welt wachsender Spannungen neue Aktualität gewinnt.
Ob sie das Land einen kann, wird sich zeigen. Doch Connollys Amtsantritt sendet eine Botschaft, die weit über Irland hinausreicht: dass moralische Klarheit, soziale Empathie und friedenspolitische Prinzipien in turbulenten Zeiten nicht aus der Mode geraten müssen. Sie beginnt ihr Amt nicht als Präsidentin eines gespaltenen Landes – sondern als jemand, der den Versuch unternimmt, genau diese Spaltung zu überwinden.
Das politische Establishment in Irland scheint sich jedenfalls nicht besonders auf die Zusammenarbeit mit der neuen Präsidentin zu freuen. Das Gesicht des ehemaligen Taoiseach (Regierungschef), Leo Varadkar, bei der Vereidigung anfangs Woche, sprach Bände.
Das politische Establishment auf der grünen Insel hatte schon im letzten Jahr eine schallende Ohrfeige (mehr hier) erhalten, als es in der Verfassung unter anderem den Begriff «Familie» entkräften sowie die Artikel über die Ehe und die dazugehörigen Rollen geschlechterneutral formulieren wollte.
«Ich werde meine Stimme für den Frieden und für unsere Politik der Neutralität erheben», sagte die 68-Jährige nach Bekanntgabe des Ergebnisses im Dubliner Schloss. Man kann ihr nur Standfestigkeit angesichts des Gegenwindes aus Brüssel und Washington wünschen und die irischen Wählerinnen und Wählen zu ihrem mutigen Entscheid beglückwünschen.