Zurück zu einer vermittelnden und friedensstiftenden Schweiz der Guten Dienste

Die NZZ wundert sich. Am 16. April schreibt der Journalist Tobias Gafafer im Artikel: „Atomgespräche zwischen den USA und Iran: Statt der Schweiz vermittelt Oman (…) Bern wäre mit den Guten Diensten für Washington für eine Vermittlung prädestiniert“. Der Journalist vermutet, es sei dem Departement des Äusseren (EDA) nicht gelungen, sich „früh auf den Radar der Trump-Administration zu bringen“. Von Ariet Güttinger.

Was in dieser Berichterstattung der NZZ fehlt, ist die Vorgeschichte. Um genauer zu verstehen, warum statt der Schweiz der Oman vermittelt, müsste man etwas weiter zurückgehen. Der ehemalige Schweizer Spitzendiplomat Georges Martin – den ich für ein Interview befragen konnte – sieht die Ursache, dass die guten Dienste der Schweiz international heute weniger in Anspruch genommen werden darin, dass der Bundesrat mit seiner „flexiblen“ Neutralität, den guten Ruf der Schweiz als Vermittlerin massiv beschädigt hat.

Auf die Interviewfrage, wie sich die schweizerische Aussenpolitik in Bezug auf die Neutralität verändert habe, antwortete Georges Martin: „Ein ehemaliger Kollege sagte, die Neutralität sei wie ein Haus mit drei Stockwerken. Zuunterst ist das Neutralitätsrecht, im ersten Stock ist die Neutralitätspolitik, und zuoberst ist die Perzeption [Wahrnehmung] dieser Neutralität. Alle Stockwerke sind gleich wichtig. Wenn wir von anderen Ländern nicht mehr als neutral wahrgenommen werden, sind die beiden unteren Stockwerke nutzlos. Man kann nicht einfach sagen, wir sind neutral, und dann eine völlig andere Politik machen. Mit den Sanktionen gegen Russland sind wir nicht mehr neutral. Die EU hat Sanktionen beschlossen, und die Schweiz hat jede dieser Sanktionswellen Stunden später geschluckt.


Der französische Wirtschaftsminister, Bruno Le Maire, sagte, dass wir uns für Sanktionen entschieden haben, um die russische Wirtschaft in die Knie zu zwingen und zu zerstören. Das haben wir mitgemacht, und das ist ein Kriegsakt und eine krasse Verletzung der Neutralität. Die Perzeption der Neutralität im zweiten Stock ist nicht mehr vorhanden. Kurz nach Anfang des Krieges hat Präsident Biden in einer Rede gelacht und gesagt, ja, schauen Sie einmal, sogar die Schweiz ist auch nicht mehr neutral. Auch die Europäer betrachten uns nicht mehr als neutral. Eine grosse Mehrheit der Elite in der Schweiz, also Medien und Politik, findet, wir müssten uns der heutigen Zeit anpassen. Es gab viele Perioden, wo einige auch immer wieder gesagt haben, wir müssten uns anpassen, so zum Beispiel in den 1930er Jahren.“

Der gute Ruf der Schweiz als eine Schweiz der guten Dienste muss wiederhergestellt werden. Wenn der Bundesrat dazu nicht in der Lage oder nicht willens ist, müssen wir als Stimmbürgerinnen und Stimmbürger den Bundesrat in die Pflicht nehmen mit der Verankerung der Neutralität in der Bundesverfassung. Damit wird die Schweiz wieder in die Lage kommen, dank ihrer Neutralität mit ihren guten Diensten segensreich zu wirken. „Die Neutralität ist unser Schutz und unsere «Raison d’être“, so der der ehemalige Botschafter Georges Martin.

Mit der Verankerung der Neutralität in der Verfassung würde die Schweiz zurück zur Neutralität zurückkehren, deren Bedeutung der Botschafter wie folgt umschreibt: „Die Neutralität ist wie die Luft. Die Schweiz atmet mit der Neutralität. Die Aussenpolitik der Schweiz war immer eine neutrale Aussenpolitik. Was heisst das? Länder, die Probleme hatten miteinander, sind zu uns gekommen und haben gefragt: «Können Sie helfen?» Es gab zahlreiche Beispiele in Afrika: Tschad, Mali und so weiter. Als ich in Indonesien war, war für die Indonesier die Schweiz die Mutter aller Neutralität. In Aceh haben wir nach dem Tsunami mitgeholfen, den dreissigjährigen Bürgerkrieg zu beenden. Bei den Iranian Nuclear Talks in Genf war die Schweiz hilfreich. Die Libanon-Gespräche haben in der Schweiz und mit Schweizer Hilfe stattgefunden. Auch die Verhandlungen in Kolumbien zwischen der FARC-Guerilla und der Regierung wurden von der Schweiz unterstützt. Nach dem Krieg zwischen Russland und Georgien haben wir die russischen Interessen in Tiflis und die georgischen Interessen in Moskau vertreten. Es gibt keinen Kontinent, wo wir nicht aktiv waren. Es gab kaum eine Woche ohne Meldungen über die Aktivitäten der Schweiz in Sachen Frieden und Friedensverhandlungen.“

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