50 Tage nach seinem Amtsantritt stellt Verteidigungsminister Martin Pfister seine Prioritäten vor: Er will die Schweizer Sicherheitspolitik strategisch schärfen, die Neutralität flexibilisieren und gleichzeitig die Armee wieder kriegsbereit machen.
Auf dem Waffenplatz im jurassischen Bure, umgeben von Panzern und Soldaten, machte der Schweizer Verteidigungsminister, Bundesrat Martin Pfister unmissverständlich klar, wofür er als neuer Verteidigungsminister steht: Eine Schweiz, die ihre Neutralität behält, aber flexibel auslegt und auch fähig ist, sich selbst zu verteidigen wie die Medien meldeten (siehe hier und hier).
Es schien zu eilen. Anstatt nach den üblichen 100 Tagen Schonfrist, trat Oberst Pfister schon nach 50 Tagen vor die Presse.
Pfisters erste von drei Prioritäten lautet: Die Sicherheitspolitik strategisch weiterentwickeln. Entsprechend hält er an einer intensiveren internationalen Kooperation fest, etwa bei Ausbildung oder Rüstungseinkauf – betont aber, dass diese Projekte die Neutralität
nicht verletzten. «Wir sichern den Luftraum nicht allein. Aber wir entscheiden allein, mit wem wir zusammenarbeiten – und wozu.»
Gleichzeitig bekennt sich Pfister zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit. Seine zweite Priorität: Die Armee müsse so aufgestellt sein, dass sie Bedrohungen wirksam begegnen könne – ohne langwierige Umstellungen. «Heute sind die Kriegsschwellen fliessend», sagte Pfister. Deshalb brauche es eine Armee, die im Ernstfall rasch einsatzbereit sei.
Dennoch bleibt Pfister vorsichtig in der Rhetorik. Er vermeidet das Bild einer «Kriegsarmee» und spricht stattdessen von einer «Sicherheitsarchitektur, die unsere Lebensgrundlagen schützt und unsere Selbstbestimmung wahrt». Das Ziel sei nicht Provokation, sondern glaubwürdige Abschreckung.
Als dritte Priorität nennt Pfister das ramponierte Vertrauen in das Verteidigungsdepartement (VBS). Zuletzt geriet es wegen Pannen bei Beschaffungen in Kritik. Pfister hat daher interne Kontrollmechanismen gestärkt und die Leitung wichtiger Projekte neu organisiert.
Er macht klar: Eine glaubwürdige Armee ist nicht nur eine Frage der Ausrüstung – sondern auch der Führung. Bis Ende Jahr soll ein neuer Armeechef gefunden sein. Auch der Nachrichtendienst erhält eine neue Spitze.
Was Pfister bewusst ausspart: Themen wie Diversität, Frauenanteil oder Klimaverantwortung. Im Gegensatz zu seiner Vorgängerin Viola Amherd stellt er diese Punkte nicht ins Zentrum.
Pfister setzt auf eine sicherheitspolitische Gratwanderung: Mehr Kooperation – ohne formelle Preisgabe der Neutralität. Mehr Aufrüstung – aber mit dem klaren Ziel, eigenständig zu bleiben. Und eine stärkere Armee – nicht für Interventionen, sondern für die Verteidigung der Schweiz.
Der dritte Punkt ist wohl derjenigen, der an wenigsten problematisch ist. Die Schweizer Armee ist in den Jahren unter Viola Amherd von Skandal zu Skandal getorkelt. Eine glaubwürdige Führung und eine klare Strategie und weniger Fokus auf Nebenthemen wie Frauen im Militär tun Not.
Auch die zweite Priorität, die Armee so aufstellen, dass sie Bedrohungen wirksam begegnen kann, geht grundsätzlich in die richtige Richtung. Allerdings tönt es hinter den Kulissen teils anders. Es sind Äusserungen von Offizieren gegenüber Soldaten bekannt geworden, die davon ausgehen, dass die Schweiz in kriegerische Auseinandersetzungen involviert wird, und zwar in etwa zwei Jahren!
Dies zeigt, dass die Staatsspitze nicht mehr davon ausgeht, dass es gelingt, durch eine glaubwürdige Neutralitätspolitik und eine angepasst schlagkräftige Armee, unser Land aus kriegerischen Auseinandersetzungen herauszuhalten. Aber gerade das ist der grosse Vorteil einer glaubwürdigen Neutralitätspolitik.
Am meisten Kopfweh verursacht deshalb Priorität eins. Zusammenarbeit in Rüstungsbeschaffungen, Kooperationen bei der Ausbildung und bei Systemen. Irgendwann ist dann die Zusammenarbeit derart eng, dass es schwierig ist, eigenständig zu entscheiden. Die Tatsache, dass ein Ständerat kürzlich am Dogma gerüttelt hat, wonach Schweizer Soldaten nur auf freiwilliger Basis ins Ausland geschickt werden dürfen, weckt auch kein Vertrauen.
Neues Vertrauen schaffen könnte hingegen eine klare Ansage in Richtung einer glaubwürdigen Neutralität oder Personalentscheidungen, die sich nicht mehr am Ziel orientieren, Befürworter der Neutralität aus dem Dienst (Diplomatie oder Armee) zu entfernen, wie es unter Viola Amherd der Fall war.