Eine Schweiz der Guten Dienste – in aller Bescheidenheit weltweit wirken

Inmitten zunehmender Spannungen und Gewalt im besetzten palästinensischen Gebiet stellt sich die Frage, welche Rolle die Schweiz künftig in der Vermittlung von Konflikten spielen kann. Die langjährige Tradition der Schweiz als neutraler Akteur in internationalen Konflikten könnte angesichts politischer Tendenzen der jüngeren Vergangenheit erneut an Bedeutung gewinnen – wenn sie sich wieder auf ihre ursprüngliche Rolle besinnt.

Anfang März 2025 meldete die UNOCHA (Uno-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten im Besetzten Palästinensischen Gebiet) folgendes: Südlich der Stadt Hebron im Gebiet von Masafer Yatta griffen israelische Siedler am 2. März „vier Palästinenser mit Stöcken, Steinen und Pfefferspray an und verletzten sie, wobei einer von ihnen Knochenbrüche erlitt. Die Siedler brachten auch ihre Schafe zum Weiden auf das Land der Gemeinde, töteten zwei Schafe der Gemeinde und stahlen Schafe und Esel. (…) In Masafer Yatta hatten sich solche völkerrechtswidrigen Vorfälle verdoppelt von durchschnittlich drei Vorfällen pro Monat im Jahr 2024 auf fast sechs Vorfälle pro Monat in den ersten beiden Monaten des Jahres 2025. Der deutlichste Anstieg ist bei den Vorfällen zu verzeichnen, die Sachschäden verursachen, insbesondere bei landwirtschaftlichen und tierbezogenen Einrichtungen. Diese Vorfälle waren mit nahezu täglichen Einschüchterungen, nächtlichen Überfällen, Drohungen und der Zerstörung von Eigentum verbunden, wodurch ein Zwangsumfeld geschaffen wurde, das die Palästinenser zum Verlassen ihrer derzeitigen Standorte zwingt.“[1]

Zur Vorgeschichte

Im ariden Hügelgebiet von Masafer Yatta sind 12 palästinensische Gemeinden beheimatet, deren Kleinbauernfamilien seit Generationen von der Landwirtschaft und ihren Herden leben. Seit dem Sechstagekrieg von 1967 steht Masafer Yatta völkerrechtswidrig unter israelischer Militärbesatzung. In den 1980er Jahren erklärte Israel einen Teil von Masafer Yatta zu militärischem Übungsgebiet (Firing Zone 918) mit der undeklarierten Absicht, die palästinensische Bevölkerung zu vertreiben, was im Protokoll einer Sitzung des israelischen Ministerial Committee for Settlement Affairs vom Juli 1981 nachzulesen ist. Ariel Sharon, damaliger Minister für Landwirtschaft schlug vor, das hügelige Land südlich von Hebron bis zur judäischen Wüste dem israelischen Militär zuzuweisen, um zu verhindern, dass sich „die arabischen Dörfer von den South Hebron Hills bis zur Wüste ausbreiten“, so zitiert von der israelische Zeitung Haaretz (9.8. 2020) – „um diese Gebiete, die für uns so wichtig sind, in unserer Hand zu behalten“, so Sharon. Seither leiden die Dörfer in Masafer Yatta unter Hauszerstörungen, Zwangsräumungen, Vertreibung und Siedlerattacken. Die Dörfer klagten beim Obersten Israelischen Gericht, das am 4. Mai 2022 entschied, acht der zwölf palästinensischen Gemeinden aus dem Gebiet von Masafer Yatta auszuweisen. Seit da hat sich die Lage verschärft: Übergriffe von Siedlern, Hauszerstörungen, massive militärische Präsenz. Nach dem Gerichtsentscheid von 2022 äusserte das IKRK die Befürchtung, dies könne zur Vertreibung von 2100 Palästinensern führen. Wie der Bericht von UNOCHA zeigt, sind Vertreibungen aktuell im Gange.

Ein Schweizer Konfliktforscher berichtet

Der Schweizer Konfliktforscher Moritz Haegi weilte für sein Doktorat im Rahmen der Nahoststudien, Universität Basel, im Jahre 2024 im Besetzten Palästinensischen Gebiet und untersuchte, wie sich der völkerrechtswidrige israelische Siedlerkolonialismus auf die indigene palälastinensische Bevölkerung ausgewirkt hat und auswirkt. Am 30. März 25 wird er darüber im Quartierzentrum Schütze, Eingang C, Heinrichstrasse 238, 8005 (beim Escher-Wyss-Platz visa-à-vis Tramhaltestellen 4/13/17) im Rahmen des Café Palestine berichten.

Was kann die Schweiz tun?

Über sehr lange Zeit wurde die Schweiz in der ganzen Welt als neutrales, vertrauenswürdiges Land betrachtet, dessen guten Dienste gerne zur Lösung von Konflikten in Anspruch genommen worden sind. Seit das Eidgenössische Departement des Äusseren unter Bundesrat Cassis sowohl in Bezug auf Russland/Ukraine wie auch Palästina/Israel einseitig Position bezogen hat, hat das Ansehen der Neutralität Schaden genommen. Wird die Neutralität in der Verfassung festgeschrieben, ist für die Schweiz der Weg wieder offen, alle Möglichkeiten eines neutralen Staates auszuschöpfen, um bei friedlichen Konfliktlösungen im Stillen und in aller Bescheidenheit weltweit segensreich mitwirken zu können. In den Worten des ehemaligen Schweizer Botschafters Georges Martin: „Das ist eben die Rolle der Schweiz. Da zu sein, wenn es brennt, wenn die anderen uns brauchen, und sich nicht aufzuspielen und damit an die Öffentlichkeit zu gehen, wie das heute oft gemacht wird. Man ist viel effizienter, wenn man im Hintergrund bleibt. Man muss einfach zufrieden sein, wenn wir geholfen haben, ohne dass das gross kommuniziert wird.“[2]


[1]https://www.un.org/unispal/document/ocha-humanitarian-situation-update-270-west-bank/

[2] https://zgif.ch/2025/02/04/die-neutralitaet-ist-unser-schutz-und-unsere-raison-detre/

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