Mit seiner Parteinahme bei internationalen Konflikten (Ukraine-Russland/Israel-Palästina) unter anderem mittels völkerrechtswidriger Sanktionen hat Bundesrat Ignazio Cassis (FDP/TI) den Ruf der Schweiz als unparteiische Vermittlerin bei internationalen Konflikten seit 2022 schwer beschädigt, so unter anderem auch im Besetzten Palästinensischen Gebiet. Im Gegensatz zur Parteinahme von Cassis orientieren sich die schriftlichen Verlautbarungen des Eidgenössischen Departements des Äusseren (EDA) in Bezug auf Palästina seit jeher am Völkerrecht. Dieser Widerspruch könnte mit einer detaillierten Ausformulierung der Neutralität, wie sie die Neutralitätsinitiative für die Bundesverfassung vorsieht, aufgelöst werden. Damit könnten selbstherrlichen bundesrätlichen Allüren ein Riegel geschoben und das EDA nicht nur in seinen Worten sondern auch in seinen Taten wieder völkerrechtlich ausgerichtet werden.
Am 5. Mai 2025 war in der Jerusalem Post zu lesen, Israel werde eine neue Gaza-Offensive beginnen, wenn in den Verhandlungen mit der Hamas keine Einigung erzielt werde.[1] Die englische Tageszeitung The Guardian berichtete, es handle sich um die Operation Gideon’s Chariots, die sie als „Roadmap to hell (Fahrplan zur Hölle)“ bezeichnete. Israel plane, die palästinensische Zivilbevölkerung vom Norden des Gazastreifens in den Süden zu vertreiben und den Norden endgültig zu besetzen. Die Ziele der israelischen Regierung beschreibt The Guardian wie folgt: „Sie ist entschlossen, einen unbefristeten Krieg von unterschiedlicher Intensität zu führen und den Gazastreifen zunehmend unbewohnbar zu machen. Langfristig wird die ethnische Säuberung des Streifens und seine Wiederbesetzung durch Israel angestrebt, als Teil der Vision eines ausschließlich jüdischen Staates zwischen dem Fluss und dem Meer.“[2]
Zur Lage im Gazastreifen
Die Lage der Zivilbevölkerung ist verzweifelt, wie der wöchentliche Bericht der UNOCHA zu Gaza vom 7. Mai 25 zeigt: „Zwischen dem 7. Oktober 2023 und dem 7. Mai 2025 wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza mindestens 52’653 Palästinenser getötet und 118’897 Palästinenser verletzt. Darunter sind 2’545 Tote und 6’856 Verletzte seit der Eskalation der Feindseligkeiten am 18. März 2025, so das Gesundheitsministerium. Am 5. Mai berichtete das Gesundheitsministerium, dass seit Oktober 2023 16’278 Kinder im Gazastreifen getötet worden sind.“[3]
Wie westliche Regierungen wahrgenommen werden
Proteste der westlichen Regierungen gegen das völkerrechtswidrige Vorgehen des israelischen Militärs gegen die palästinensische Zivilbevölkerung sind zwar etwas lauter geworden aber immer noch verhalten. Die Kommentare dazu im Besetzten Palästinensischen Gebiet waren und sind entsprechend bitter. Mitte April 25 besuchte ich in Ramallah eine grosse palästinensische medizinische Basisorganisation und sprach mit dem Direktor, der unter anderem folgendes sagte: „Was in Palästina geschieht, zeigt, dass sich die Welt in die falsche Richtung entwickelt hat, in eine faschistische Richtung, und was in Gaza geschieht, ist die absolute Abwesenheit von internationalem Recht. Und all das, was sie uns über Demokratie und internationales Recht erzählen, wo sind sie jetzt? Wir sehen sie nicht. Das zeigt uns das ganze Ausmaß der Heuchelei.“
Und die Schweiz?
Diese harsche Kritik schliesst auch Bundesrat Cassis mit seiner Parteinahme bei internationalen Konflikten ein, mit der BR Cassis den Ruf der Schweiz als unparteiische Vermittlerin bei internationalen Konflikten massiv ramponiert hat.[4] Solche „L’état c’est moi“-Allüren stehen in eklatantem Widerspruch zu den traditionellen schriftlichen Verlautbarungen der Schweiz zu Israel-Palästina. Das EDA hat sich immer auf die Uno-Charta, das Völkerrecht, das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte berufen. Zur aktuellen Situation im Nahen Osten nimmt die Schweiz entschieden und deutlich Stellung, so Pascale Baeriswyl als Vertreterin der Schweiz am 30. April 25 vor dem Uno-Sicherheitsrat: „In Syrien, im Libanon, im Jemen und im besetzten Palästinensischen Gebiet unterstützt die Schweiz die Arbeit der UNO, einschliesslich ihrer humanitären Organisationen und friedenserhaltenden Operationen. Diese Instrumente wurden geschaffen, um das Recht über die Gewalt, die Gerechtigkeit über die Straflosigkeit und den Frieden über den Krieg zu stellen.“ In Bezug auf Gaza fordert Pascale Baeriswyl die Parteien auf, unverzüglich zum Waffenstillstand zurückzukehren. Und weiter mahnt sie: „Die Schweiz erinnert daran, dass der Einsatz von Hungersnöten als Kriegsmethode ein Kriegsverbrechen nach dem Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofs ist.
Wir verurteilen alle Verletzungen des Völkerrechts, einschließlich des internationalen humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte, die von allen Konfliktparteien begangen wurden. (…) Denn im Krieg muss die Menschlichkeit bewahrt werden.“ Sie fordert die Konfliktparteien auf, „zum Recht zurückzukehren und alle Hindernisse, die dem Frieden im Wege stehen, eines nach dem anderen zu beseitigen.
Im Westjordanland, einschließlich Ostjerusalem, umfasst dies die Beendigung der illegalen Besetzung und der israelischen Siedlungen, die nach dem Völkerrecht illegal sind, wie in der Resolution 2334 dieses Rates und im Gutachten des Internationalen Gerichtshofs vom Juli 2024 festgehalten wurde, das die Schweiz unterstützt.“[5]
Damit nimmt Pascale Baeriswyl die Aufgabe, die die Schweiz in der internationalen Staatengemeinschaft hat, wahr und steht laut und unmissverständlich für Recht und Gerechtigkeit ein.
Eine klare Stellungnahme des EDA
Beunruhigt über die geplante Operation Gideon’s chariot’s wandte ich mich am 14. Mai wie folgt an das EDA: „Israel plant eine Militäroperation, um die Zivilbevölkerung aus dem Norden des Gazastreifens in den Süden zu vertreiben. Präsident Macron hat sich mit deutlicher Kritik dagegen ausgesprochen. Welche Stellungnahme des EDA, beziehungsweise des zuständigen Bundesrates liegen dazu bereits öffentlich vor? (…)
Die letzten Stellungnahmen, die ich gefunden habe, beziehen sich nicht auf die geplante Operation.“
Am 19. Mai erhielt ich folgende Antwort: „Vielen Dank für Ihr Schreiben vom 14. Mai 2025. Die Schweiz ist alarmiert über die humanitäre Tragödie in Gaza und die vermeldeten Risiken einer Hungersnot. Israel muss die Blockade für humanitäre Hilfslieferungen unverzüglich aufheben. Humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung in Gaza muss gemäss dem humanitären Völkerrecht und den anerkannten humanitären Prinzipien dringend bereitgestellt werden.
Sie ist besorgt über die angekündigten Pläne Israels, den gesamten Gazastreifen einzunehmen, die Kämpfe zu verschärfen und die Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung zu organisieren. Die Annexion besetzter Gebiete und die Zwangsumsiedlung von Bevölkerungsgruppen ist gemäss humanitärem Völkerrecht verboten. Diese Entwicklungen werfen Fragen hinsichtlich des Völkerrechts und des humanitären Völkerrechts auf.
Die Schweiz ruft alle Parteien dazu auf, ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen, insbesondere das humanitäre Völkerrecht, einzuhalten und von einseitigen Massnahmen abzusehen, die die Friedensbemühungen gefährden könnten.
Die Schweiz ruft zudem zu einer sofortigen Rückkehr zum Waffenstillstand, zur sofortigen und bedingungslosen Freilassung aller Geiseln und zum ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe auf.“
Eine solche Stellungnahme ist das, was in den Ländern des Südens von der neutralen Schweiz erwartet wird. Geht die Schweiz – mit Bundesrat Cassis an der Spitze – für die Länder des Südens wieder deutlich erkennbar – mit Wort und Taten – künftig wieder in diese Richtung, kann der gute Ruf einer Schweiz der Guten Dienste wieder hergestellt werden.
[1] The Jerusalem Post, Israel issues ultimatum to Hamas: Deal within two weeks or expanded war An Israeli defense official said that if no deal is reached, a new Gaza offensive will begin, 5. Mai 2025.
[2] The Guardian, Yair Wallach, Seize Gaza, or make it uninhabitable. That’s Netanyahu’s plan : and either way he wins, 6. Mai 2025.
[3] United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs occupied Palestinian territory, Humanitarian Situation Update #286 Gaza Strip 7 May 2025
[4] So der Präsident der palästinensischen medizinischen Basisorganisation: „Vor allem hatten wir früher mehr Kommunikation und Kontakt mit der Schweizer Regierung. Die Vertreter der Schweiz kamen regelmässig zu uns. Die letzte Person, die uns besuchte, war Maja Tassifi. Sie war im Aussenministerium tätig. Aber in den letzten Jahren oder im letzten Jahr hat sich die Haltung der Schweizer Regierung gegenüber den Palästinensern sehr negativ verändert. Die Schweiz behauptet, sie sei neutral. Aber sie ist immer weiter nach rechts gerückt und hat sich sukzessive immer stärker auf die Seite Israels gestellt. Natürlich hat Israel auf die Schweizer Regierung und die Politik stark eingewirkt, worüber wir nicht glücklich sind [ … ] Man kann also sagen, dass die schweizerische Aussenpolitik mehr pro-israelisch geworden ist. Auch das Abstimmungsverhalten der Schweiz in der Uno in Bezug auf Palästina wurde immer schlechter.»
[5] Schweizerische Eidgenossenschaft, Conseil de sécurité La situation au Moyen-Orient, y compris la question palestinienne, New York, le 30 avril 2025, Déclaration lue par Pascale Baeriswyl, Représentante permanente de la Suisse