Der Völkerrechtler und ehemalige Uno-Mandatsträger Alfred de Zayas warnt vor einem Rückfall Europas in einen ideologisch aufgeladenen Totalitarismus. In einem ausführlichen Interview kritisiert er die Kriegsrhetorik der Nato-Staaten, den Verlust grundlegender Freiheitsrechte und das Abgleiten Deutschlands in eine demokratische Krise. Seine Position ist kritisch, aber zugleich auf die Einhaltung internationalen Rechts und der Neutralität bedacht.
In seinem Gespräch mit der Schweizer Plattform Zeitgeschehen im Fokus äußert sich Prof. Dr. Alfred de Zayas, ein international erfahrener Völkerrechtler, tief besorgt über die sicherheitspolitische und rechtliche Entwicklung Europas. Im Zentrum seiner Kritik stehen der Bruch der Uno-Charta durch westliche Staaten, die Einschränkung der Meinungsfreiheit sowie der Rückbau demokratischer Institutionen, insbesondere in Deutschland.
De Zayas sieht die zunehmende Militarisierung und aggressive Außenpolitik vieler Nato-Staaten als völkerrechtswidrig:
«Die Haltung der Regierungen in Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Polen […] stellt eine ‘Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit’ im Sinne des Artikels 39 der Uno-Charta dar.»
Der Frieden, so de Zayas, habe laut Uno-Charta Vorrang, ebenso wie das Gebot zur Konfliktlösung auf diplomatischem Wege.
Ein weiterer zentraler Kritikpunkt betrifft den Umgang mit Meinungsvielfalt und Wissenschaftsfreiheit. De Zayas konstatiert einen geistigen Verfall demokratischer Diskussionskultur:
«Es gibt keine Meinungsfreiheit mehr, sondern Zensur, Angst, soziale Ausgrenzung und Selbst-Zensur.»
Besonders gravierend sei das Verbot russischer Medien wie RT und Sputnik, das er als klare Zensur wertet. Der Artikel 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte garantiere das Recht auf Information und freie Meinungsäußerung – ein Recht, das durch solche Maßnahmen verletzt werde.
Trotz seiner scharfen Kritik an der gegenwärtigen Politik betont de Zayas seine anhaltende Wertschätzung für die deutsche Kultur und seine frühere akademische Arbeit in Deutschland. Diese werde jedoch zunehmend durch politischen Konformitätsdruck gefährdet:
«Die deutschen ‹Eliten› haben sich von den alten menschlichen Werten schon lange verabschiedet.»
De Zayas plädiert für eine Rückbesinnung auf die Neutralität – sowohl in der Schweiz als auch international. Nur ein neutraler Staat könne glaubwürdig vermitteln und Frieden fördern. Das gegenwärtige Verhalten der Schweiz, etwa durch das Austragen einseitiger Konferenzen ohne Beteiligung aller Konfliktparteien, gefährde diese Position schwer. Die Neutralität sei keine Schwäche, sondern ein völkerrechtlich verankerter Wert – und ein notwendiges Korrektiv in einer Welt wachsender geopolitischer Spannungen.
De Zayas unterstreicht dabei die Bedeutung völkerrechtlicher Prinzipien und verweist auf die Spannungen zwischen realpolitischer Praxis und normativem Anspruch.
«Die Uno-Charta ist die einzige universelle ‘regelbasierte Ordnung’, die wir haben.»