Dr. Ariet Güttinger, Sprecherin der Bewegung für Neutralität erklärt an der Konferenz «Neutralität als Friedensprojekt» vom 3. Oktober in Köln wie die Neutralität als Basis der guten Dienste und für den Einsatz für das Völkerrecht funktioniert
Die Schweiz war historisch ein Hort der „Guten Dienste“, wie der ehemalige Diplomat Georges Martin erklärt: „Neutralität ist wie Luft – die Schweiz atmet damit.“ Sie ermöglichte Friedensverhandlungen weltweit, etwa in Aceh (Indonesien) nach dem Tsunami, bei den Iran-Nuklearverhandlungen, im Libanon oder zwischen FARC und Kolumbien. Nach dem Russland-Georgien-Krieg vertrat die Schweiz Interessen beider Seiten.
Doch seit bald vier Jahren seien solche Meldungen selten geworden. Ariet Güttinger zitierte Georges Martin, der die Neutralität als dreistöckiges Haus sieht:
- Neutralitätsrecht (Haager Abkommen 1907)
- Neutralitätspolitik
- Aussenwahrnehmung der Neutralität.
Wird die Schweiz nicht mehr als neutral wahrgenommen, sind die unteren Stockwerke nutzlos. Durch sei durch die Übernahme der EU-Sanktionen gegen Russland geschehen. Schweiz werde nicht mehr als neutral wahrgenommen, was ihre Vermittlerrolle untergräbt.
Verlust der Neutralität: Seit dem Ukraine-Krieg hat die Schweiz durch EU-Sanktionen und sicherheitspolitische Annäherung (z. B. PESCO-Projekte wie Military Mobility) an EU und NATO ihre Neutralität geschwächt. Bundesrat Ignazio Cassis’ pro-israelische Haltung im Nahen Osten verstärkt diesen Eindruck. Friedensverhandlungen finden nun in Ländern wie der Türkei oder Katar statt, da die Schweiz ihre Glaubwürdigkeit eingebüßt hat.
Neutralitätsinitiative: Um die Neutralität wiederherzustellen, wurde 2024 die Volksinitiative „Wahrung der schweizerischen Neutralität“ eingereicht. Sie fordert in der Bundesverfassung: immerwährende, bewaffnete Neutralität, keinen Beitritt zu Militärbündnissen, keine Beteiligung an Kriegen oder nicht-militärischen Zwangsmaßnahmen (außer UN-Verpflichtungen) und aktive Vermittlung. Der Ständerat kontert mit einem zahnlosen Gegenvorschlag, der nur Neutralität und Vermittlung betont, ohne klare Verpflichtungen. Die Abstimmung ist für Herbst 2026 oder Frühling 2027 geplant.
Unterstützer: Die Initiative wird von der Schweizerischen Friedensbewegung, Pro Schweiz (SVP), der Partei der Arbeit im Tessin, dem Geneva Centre for Neutrality, „Neutralität für Frieden und Ausgleich“ (Linke/Grüne) und der neuen Bewegung für Neutralität (bene.swiss) unterstützt. Diese betonen Neutralität als Fundament für Frieden und direkte Demokratie, da Annäherung an Machtblöcke die Souveränität gefährdet.
Herausforderungen: Die Propaganda gegen Russland seit Beginn des Ukraine-Kriegs verunsichert die Schweizer Bevölkerung, obwohl die Mehrheit die Neutralität unterstützt. Argumente wie „Sicherheit durch EU/NATO“ greifen, besonders bei Linken. Die EU-Zusammenarbeit (z.B. PESCO) erlaubt ausländische Truppen- und Waffentransporte, gegen die die Friedensbewegung Einspruch erhebt.
Lösungsansätze: Ariet Güttinger schlägt vor, die Öffentlichkeit über die Neutralität aufzuklären, etwa durch bene.swiss-Artikel, persönliche Gespräche, Mahnwachen, Flugblätter und Veranstaltungen. Originell ist eine Veloreise mit „Neutralität ohne Kompromiss“-Shirts, die sogar eine Klinik übernahm. International will die Bewegung für Neutralität ein Netzwerk aufbauen, um das Prinzip global zu stärken.
Fazit: Neutralität ist kein passiver Zustand, sondern aktives Eintreten für Völkerrecht und Friedensvermittlung. Die Schweiz muss ihre Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, um ihre historische Rolle als Vermittlerin zu sichern. Güttinger ruft zur Einheit jenseits politischer Spaltungen auf, um Frieden und Souveränität zu bewahren.
Hier können Sie den Vortrag von Artiet Güttinger lesen und auf Youtube anschauen/anhören.